Der Monat April begann genauso unruhig, wie das erste Quartal endete. Die Kapitalmärkte reagierten empfindlich auf die Ankündigung neuer US-Handelszölle: Präsident Trump setzte einen einheitlichen Basissatz von 10 % für alle Länder fest – ergänzt durch einen länderspezifischen Aufschlag, der in einzelnen Fällen bis zu 145 % betragen kann. In der Summe steigen die effektiven Zölle damit auf über 20 %. Derart protektionistische Maßnahmen hat es zuletzt in den 1930er Jahren gegeben – einer Epoche, die von wirtschaftlichem Protektionismus, globalem Gegenwind und schwachem Wachstum geprägt war.

Die aktuelle Entwicklung ist besorgniserregend. In einem globalen Handelskrieg gibt es selten Gewinner – stattdessen herrschen Unsicherheit, Reaktionsspiralen und wirtschaftliche Risiken. Auch die Finanzmärkte verwehren sich zunehmend gegen die neue US-Zollpolitik: Aktienindizes geben deutlich nach, der US-Dollar verliert spürbar an Wert, und die US-Renditen steigen – ein Hinweis auf fallende Kurse am Anleihemarkt. Ausländische Investoren, die rund 20–30 % des US-Aktien- und Anleihenmarkts halten, kehren dem Dollar-Raum den Rücken.
Durch die jüngsten Marktturbulenzen wird Präsident Trump in seinen Verhandlungspositionen zunehmend eingeschränkt. Eine baldige Einigung innerhalb der 90-tägigen Aussetzung der neuen Zölle erscheint dringend geboten – andernfalls dürfte der Widerstand der Kapitalmärkte weiter zunehmen. Insofern erscheinen erste Einigungen mit einigen Ländern sehr wahrscheinlich.
Allerdings ist der wirtschaftliche Schaden bereits spürbar: Die ersten Strafzölle von über 100 % auf Importe aus China – dem wichtigsten Handelspartner der USA – sind bereits in Kraft. Die Auswirkungen auf die Unternehmenslandschaft lassen nicht lange auf sich warten. Mit dem Start der aktuellen Berichtssaison wurden bereits erste Gewinnwarnungen veröffentlicht – ein klares Signal, dass die Belastungen der globalen Lieferketten und Margen real sind und in den kommenden Wochen weiter zunehmen könnten.
Direkte Auswirkungen der US-Zölle auf Wirtschaft und Konsumverhalten
- Vorgezogener Konsum durch Hamsterkäufe
US-Konsumenten reagieren mit vermehrten Käufen von Produkten, die stark von den neuen Zöllen betroffen sind. Diese vorgezogene Nachfrage stützt kurzfristig die Konsumzahlen, dürfte jedoch mittelfristig zu Absatzlücken führen – insbesondere, wenn Preiserhöhungen greifen oder Lagerkapazitäten ausgeschöpft sind. - Rückgang beim nicht-diskretionären Konsum
Parallel dazu verzeichnen Sektoren wie Flugreisen, Gastronomie oder Freizeitangebote deutliche Rückgänge. Steigende Preise und Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung führen zu einer spürbaren Konsumzurückhaltung in Bereichen, die nicht als lebensnotwendig gelten. - Zurückhaltung bei Investitionen und Beschäftigung
Viele Unternehmen stoppen geplante Investitionen oder verschieben Projekte auf unbestimmte Zeit. Neueinstellungen bleiben aus – in einigen Branchen werden erste Stellenabbaupläne bekannt. Dies dürfte in den kommenden Monaten zu einer Abschwächung des bislang robusten US-Arbeitsmarkts führen. - Anpassungsdruck auf Lieferketten
Die globalen Lieferketten reagieren auf die neuen Handelsbedingungen. Unternehmen weichen vermehrt auf alternative Beschaffungsmärkte mit niedrigen oder keinen Zöllen aus. Dies verursacht jedoch kurzfristig höhere Kosten und führt zu Verzögerungen in der Produktion und Auslieferung – insbesondere bei komplexen, international verflochtenen Industrien wie Maschinenbau, Elektronik oder Automotive.
Auswirkungen auf die Finanzmärkte
- Anleihenmärkte
- Steigende Zinsen wirken zunehmend als Belastung für die Wirtschaft. Besonders kritisch: Im Jahr 2025 steht eine Rekordwelle an Refinanzierungen an – sowohl für den US-Staat als auch für zahlreiche Unternehmen. Bei langfristigen Zinsen von über 4,5 % ist eine nachhaltige Schuldenreduktion kaum realistisch.
- Zugleich signalisieren fallende Anleiherenditen in der Regel eine Verlangsamung des Wachstums oder sinkende Inflationserwartungen. Derzeit verlangen Investoren jedoch einen Risikoaufschlag – nicht zuletzt wegen politischer Unsicherheiten wie der Zollpolitik und potenziellen Steuererleichterungen, die inflationsfördernd wirken könnten.
- Währungen
- Die Kapitalflucht aus den USA setzt den US-Dollar unter Druck. Marktteilnehmer spekulieren zunehmend auf Interventionen der US-Notenbank – gestützt durch Aussagen wie jene vom 11. April 2025: „Federal Reserve absolutely ready to help stabilise market if needed.“
- Die Fed befindet sich jedoch in einer Zwickmühle: Aufgrund der hartnäckigen Inflation ist eine sofortige Senkung der Leitzinsen nicht plausibel. Quantitative Lockerungsmaßnahmen (QE) wären ein letzter Ausweg – beide Optionen würden jedoch zusätzlichen Abwärtsdruck auf den US-Dollar ausüben.
- Besonders bemerkenswert: Der chinesische Yuan (CNY) wertet selbst gegen den schwachen USD ab. Eine deutliche Abwertung des CNY könnte andere asiatische Währungen ebenfalls unter Druck setzen und neue Spannungen im globalen Devisenmarkt hervorrufen.
- Edelmetalle
- Gold profitiert klar als sicherer Hafen in einem Umfeld politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit. Ausländische Zentralbanken könnten zunehmend aus US-Staatsanleihen in Gold umschichten. Auch chinesische Privatanleger dürften bei einer weiteren Abwertung des CNY Gold als bevorzugte Anlageform betrachten.
- Zwar leidet die Schmucknachfrage unter dem hohen Preisniveau, doch Zuflüsse institutioneller und privater Investoren stützen den Markt.
- Silber hingegen geriet zuletzt unter Druck – getrieben von Sorgen über eine Abschwächung der industriellen Nachfrage. Allerdings ist das Gold-Silber-Ratio mit rund 100 historisch hoch. Sollte die Industrienachfrage stabil bleiben und weiteres Kapital in Edelmetalle fließen, könnte auch Silber mittelfristig profitieren.
Auswirkungen auf die Aktienmärkte
- Die zunehmenden Unsicherheiten im globalen Handel sowie die US-Zollpolitik setzen besonders zyklische Sektoren unter Druck. Aktien aus den Bereichen diskretionärer Konsum, Industrie, Technologie und generell Unternehmen mit hohem Exportanteil in die USA stehen verstärkt unter Verkaufsdruck. Die Marktdynamik reflektiert dabei nicht nur konjunkturelle Sorgen, sondern auch direkte Belastungen durch höhere Zölle und gestörte Lieferketten.
Potenzielle Gewinner der aktuellen Marktlage:
- Defensive Sektoren: Aktien aus den Bereichen Versorger, Gesundheitswesen und defensiver Konsum zeigen sich deutlich robuster. Ihre Geschäftsmodelle sind weniger konjunktursensibel und bieten in volatilen Marktphasen Stabilität.
- EU-Unternehmen mit geringer Exportabhängigkeit: Besonders Firmen aus dem Euroraum, die weniger auf außereuropäische Nachfrage angewiesen sind, könnten mittelfristig profitieren – etwa durch eine Binnenmarkt-Orientierung oder Währungsdiversifikation.
- Aktien aus Ländern mit moderaten US-Zollsätzen: Länder wie das Vereinigte Königreich, Brasilien oder Mexiko – mit relativ geringen oder stabilen Zollsätzen seitens der USA – könnten sich als attraktive Alternativen herausstellen, sowohl für Kapital als auch für Produktionsverlagerungen.
Vorsicht bei chinesischen ADRs
- Ein besonderes Risiko besteht derzeit bei chinesischen Aktien, insbesondere ADRs, die an US-Börsen gelistet sind.
- US-Finanzminister Scott Bessent warnte kürzlich in einem Statement, dass ein Delisting chinesischer Unternehmen von US-Börsen nicht ausgeschlossen sei. Dies würde eine neue Eskalationsstufe im Handelskonflikt markieren – möglicherweise flankiert von Kapitalverkehrskontrollen.
- Ein solches Szenario könnte nicht nur einzelne Titel betreffen, sondern das gesamte Anlageuniversum chinesischer Aktien international beeinträchtigen.
Ausblick
- Die Schwankungsbreite an den globalen Börsen dürfte in den kommenden Monaten hoch bleiben. Im Zentrum steht die laufende Berichtssaison, in der insbesondere Unternehmen mit klaren Belastungen durch die US-Zollpolitik sowie mit schwachen Ausblicken von Investoren konsequent abgestraft werden.
- Politische Hoffnungsschimmer – aber begrenzt
Präsident Trump wird voraussichtlich in den kommenden Wochen versuchen, bilaterale Zollabkommen mit weiteren Ländern zu schließen. Eine Einigung mit China hätte dabei für die US-Wirtschaft und die Kapitalmärkte besonders große Bedeutung. Allerdings ist selbst im besten Fall nur mit einer Reduktion auf den Basissatz von 10 % zu rechnen – eine vollständige Rücknahme der Zölle ist eher unwahrscheinlich. Dennoch könnte ein solches Signal die Märkte kurzfristig stabilisieren. - Märkte als politischer Druckfaktor
Sollten sich die Wirtschaftsdaten jedoch deutlich verschlechtern, könnte der Kapitalmarkt die US-Politik indirekt zu einem Kurswechsel zwingen. Eine Kombination aus Zinssenkungen und möglicherweise erneuten quantitativen Lockerungsmaßnahmen (QE) erscheint in einem solchen Szenario denkbar. Ganz nach dem Muster früherer Krisen – wie während der Corona-Pandemie oder der Finanzkrise – könnte gelten:
"US capital markets stop panicking when US politicians start panicking." - Allerdings dürfte dieser Wendepunkt erst eintreten, wenn sowohl Aktien- als auch Anleihemärkte weiter unter Druck geraten. Bis dahin ist Vorsicht geboten.